China Objektive ll (Aktualisierung)

Seit ich meinen Artikel zu den China-Objektiven 2022 geschrieben habe hat sich viel getan, vor allen Dingen was die Entwicklung und Qualität der Vollformat-AF-Objektive aus China angeht, daher hier nun eine Aktualisierung des alten Berichts! Link hierzu: https://www.nikon-fotografie.de/community/rms/%E2%80%9Echina-objektive%E2%80%9C.148/
Da damals häufig das Thema „China-Objektive“, auch hier im Forum aufploppte, habe ich 2023 versucht den damaligen aktuellen Stand, was diesen Markt anging, zusammenzufassen. Im Gegensatz zu den System-Kameras sind Objektive als wesentliches Zubehör für dieses Kamerasegment ein nach wie vor expandierender Markt – auch für Drittanbieter! Objektive machen umsatzmäßig momentan etwa ein Drittel des Kameramarktes aus. Lange am Markt etablierte bekannte japanische Drittanbieter sind z.B. Tamron und Sigma, die hochwertige AF-Objektive anbieten, und Samyang (Süd-Korea).
Vor dem Hintergrund des wachsenden Marktes haben bis zum Jahr 2021/-22 die Drittanbieter aus China ihren Marktanteil, hauptsächlich im Niedrigpreissegment mit manuellen Objektiven, erhöhen können. In diesem Bereich finden sich fast ausschließlich chinesische Hersteller

Die chinesische Gals- und Fotolinsen-Qualität ist inzwischen auf einen Top-Niveau angekommen!
Die Tatsache, dass auch die hochwertigen s.g. Systemkameras, Objektive, Blitzgeräte und weiteres Zubehör längste nicht mehr nur in Japan, sondern im ganzen asiatischen Raum gefertigt werden ist ausreichend belegt. Da verwundert es nicht, dass ähnlich wie in der Autoindustrie, auch fast die gesamte Zulieferindustrie in dieser Region angesiedelt ist. Wie nicht anders zu erwarten, ist auch China einmal als Billiglohnland und zum anderen mit seinem inzwischen hochentwickelten Elektronik-Industrie zu einem der großen Player in diesem Bereich, und zur „Werkbank“ der Kameraindustrie geworden. Längst kommen viele Teile oder Baugruppen für die Kameras und Objektive der Marktführer aus China.
Objektive von Drittanbietern sind nichts Neues
Dritthersteller, speziell für Objektive, sind kein neues Phänomen. Sie sind schon seit den Anfängen der Fotografie im Fotomarkt aktiv. Tatsächlich begannen viele der wichtigsten Kamerahersteller von heute mit der Produktion von Objektiven, bevor sie zu Kameras und ganzen Systemen übergingen. Damit sich die Herstellung von Objektiven und Zubehör für einen (Dritt-) Anbieter wirtschaftlich lohnt, muss es natürlich auf Kamerasysteme mit Wechselobjektiven und möglichst hoher Verbreitung abzielen. Die Basis für dieses Massen-Geschäft ist heute die digitale Systemkamera!
Der Ausgangspunkt für alle Drittanbieter ist ein kostengünstiger, risikoarmer Einstieg in den Markt. Der einfachste Weg, dies zu erreichen, war die Herstellung von Objektiven mit manueller Fokussierung und einfachen optischen Formeln. Derartige Designs sind leicht verfügbar und erfordern meist nur eine relativ einfache Produktion und Montage. Durch den Verkauf zu niedrigen Preisen und in großen Mengen besteht dann die die Möglichkeit, das jeweilige Know-How zu verbessern und einen größeren Marktanteil zu gewinnen. Stimmt dann auch die Qualität kann sich das Ganze sogar lohnenswert für den jeweiligen Hersteller werden.
Die Basis hochwertiger Objektive ist sehr gutes optisches Glas und Vergütungen. Lange Zeit dominierten deutsche und japanische Unternehmen wie Schott, Hoya, AGC und Ohara diesen Markt. Aber schon in den 50er Jahren begann in China die Gründung einer eigenen Glass-Industrie. Inzwischen liefert der chinesische Hersteller Chengdu Guangming optisches Glas der Spitzenklasse, und hat sich zum globalen Player entwickelt. Die Firma hat inzwischen einen Anteil am Weltmarkt von 40%, und liefert mittlerweile sogar Glas für japanische Spitzenobjektive – zu niedrigeren Preisen.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die optische Konstruktion eines Objektivs. Modernste Simulationssoftware revolutionierte das Objektivdesign grundsätzlich. Während früher das Optikdesign manuell stattfand, ermöglichen heute leistungsfähige Entwicklungsumgebungen die digitale Modellierung und präzise Simulation optischer Leistung. Diese „Demokratisierung“ des Entwicklungsprozesses hat es auch chinesischen Ingenieuren ermöglicht, in kürzester Zeit vom vorherrschenden Reverse-Engineering zu eigenständigen Konstruktionen übergehen zu können.

Viltrox hat sich mittlerweile zum (chinesischen) Marktführer gemausert!
Mit dem Auftreten der Fa. Viltrox und den ersten DSLM AF Objektiven änderte sich alles!
Anscheinend war es Viltrox im Sommer 2021 gelungen, endlich über sehr gutes optisches Glas und entsprechende Vergütungen zu verfügen, um AF-Objektive auf höchsten Niveau herstellen zu können. Da Sony seine Anschlussprotokolle an Dritthersteller herausgab, kamen ein AF 1.8/35mm und ein AF 1.8/85mm mit E-Mount auf den Markt, und schon kurz Zeit später konnten mittels „Reverse-Engeneering“ ack Z- und R-Mount Varianten Angeboten werden! Leider zog Canon sofort die Notbremse und klagte dagegen und die Canon-Varianten wurden zurückgezogen! Inzwischen werden von den genannten Drittherstellern auch APS-C Modell für Verschiedene Kamera-Mounts angeboten.
Die wichtigsten chinesischen Player für AF-Objektive sind momentan: Viltrox, Meike, Yongnuo, 7Artisans, Sirui, und Laowa. Darüber hinaus werden in verschiedenen Märkten der Welt, laufend neue „Labels“ mit einer fast identischen Produktpalette etabliert. Das führende Unternehmen dürfte hier Viltrox sein. Inzwischen bietet Viltrox fünf unterschiedliche Baureihen, die Air-, die Pro-, die LAB-, die Standard-AF-, und die Standard Cine Serie an.
Da ich mich schon länger regelmäßig mit den aktuellen chinesischen AF-Objektiven beschäftige habe ich vor einigen Wochen einen kleinen Vergleichstest der momentan erhältlichen 1.8/85mm Objektiven mit Z-Mount durchgeführt. Vergleichsbasis war ein Nikkor 1.8/85mm S, daneben standen ein Viltrox, ein Meike und ein Yongnuo mit gleichen Basisdaten zur Verfügung. Als Kamera kam eine Nikon Z8 zum Einsatz.

Die Testkandidaten

Der Testaufbau war ganz einfach gehalten: Eine Kunststoff-Ente in Originalgröße war auf einem Stativ schräg zur Kamera, die ebenfalls auf einem Stativ eine feste Position einnahm, angeordnet. Mit den Testobjektiven wurde dann jeweils eine Blendenreihe aufgenommen, um die Schärfeleistung zu prüfen! Durch die schräge Anordnung zur Kamera ließ sich so an der fein nachgebildete Oberfläche (Gefieder) der Schärfeverlauf praxisnah kontrollieren, und vergleichen!

Die „Prüf-Ente“…
Da ich die Drittanbieter Objektive schon einzeln getestet hatte, sollte hier nun die Nagelprobe hinsichtlich der Qualität im Vergleich mit dem Original stattfinden.
Alle Bilder JPGs „out of cam“.

Der Lichtabfall in den Ecken ist bei allen Objektiven kaum wahrzunehmen. Hinsichtlich der Schärfe liegen alle vier Kandidaten auch auf dem gleichen Level, aber Unterschiede bei den JPGs aus der Kamera gibt es sehr wohl, diese sind zwar gering aber im direkten Vergleich sichtbar. Der Grund dafür ist die interne Kamera-Korrektur, die natürlich die „Fremdobjektive“ nicht (er)kennt und hilfsweise immer als Ersatz das entsprechende Nikon-Objektivprofil anwendet. Bei einer RAW-Entwicklung, bei der die Objektivprofile erkannt und angewendet werden ist das natürlich kein Problem!
Das hier gezeigte Beispiel und Ergebnis für die 85er Drittanbieter-Objektive gilt auch prinzipiell für 16, 35, 50 und neuerdings auch für 135mm Objektive, wie die Vergleiche mit den anderen Nikon-Brennweiten gezeigt haben. Die jüngst erschienenen Viltrox Objektive wie das AF 1.4/35mm LAB, AF 1.4/85mm Pro und das AF 1.8/135mm LAB zeigen aktuell wo jetzt qualitativ die Reise hingeht!

Die 3 neuen von Viltrox!
Aber nicht nur international gibt es immer wieder neue Anbieter wie jetzt gerade das jüngste Beispiel von Rollei zeigt.

Rollei trat bisher als Vertriebspartner von Viltrox in Deutschland in Deutschland auf, bringt aber nun, angeblich mit Unterstützung von Viltrox, eine eigene AF-Objektivreihe auf den Markt. Das erste Produkt ist ein AF 1.8/85mm Objektiv im KB-Format. Wie aus gewöhnlich gut informierten Kreisen zu hören ist, kommt das Objektiv anscheinend von 7Artisans, was ein näherer Vergleich der technischen Daten beider Objektive tatsächlich zu bestätigen scheint!
Fazit
In Zukunft wollen anscheinend die chinesischen Marken, wie die jüngsten Beispiele zeigen, über den Preiswettbewerb hinausgehen und zunehmend hochwertige Vollformat-Objektive mit hoher Lichtstärke (f 1,2- und f 1,4) entwickeln, die mit japanischen und deutschen Pendants konkurrieren können. Darüber hinaus werden die Chinesen über kurz oder lang sicherlich auch AF-Zoom-Objektive, auch mit langen Brennweiten, auf den Markt werfen!
Die bisherige Entwicklung der chinesischen Objektivhersteller, besonders im Segment der Vollformat AF-Objektive lässt erwarten, dass sie innerhalb weniger Jahre Mitbewerber wie Samyang überholen, und auch die etablierten Drittanbieter wie Tamron und Sigma unter Druck setzen könnten, indem sie das Preis-Leistungsverhältnis immer weiter verschieben und sich so weiter stark am globalen Markt etablieren werden!
Probleme schaffen sich die chinesische Objektivmarken am Markt möglicherweise selbst durch ihr teilweise identisches Angebot im jeweiligen Angebots-Portfolio, das zur Fragmentierung des Marktes führen wird. Anderseits bedeutet Wettbewerb auch günstige Anschaffungspreise für die User. Es bleibt spannend!